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Ist Sport in der Schule „reine Zeitverschwendung“ oder können die Kinder wirklich von dieser vermeintlichen „Spielstunde“ profitieren? Diese Debatte bekommt vor allem vor der Tatsache Gewicht, dass immer weniger Kinder und Jugendliche körperlich aktiv sind und dagegen immer mehr Kinder und Jugendliche an Übergewicht leiden (Ogden & Carroll, 2010). In den letzten Jahren konnte wiederholt der positive Effekt von körperlicher Aktivität und Fitness auf kognitive Leistungen im Kindesalter gezeigt werden (Fedewa & Ahn, 2011; Chaddock, Pontifex, Hillman und Kramer, 2011; Hillman & Schott, 2013). Ebenso konnte gezeigt werden, dass Übergewicht mit schlechteren Leistungen in kognitiven Aufgaben bei Kindern und Jugendlichen assoziiert ist (Li, Dai, Jackson & Zhang, 2008). Dennoch scheinen diese Ergebnisse bisher keine direkten Veränderungen in der Praxis nach sich zu ziehen.

Im Schulalltag ist es von besonderer Bedeutung, in Schularbeiten trotz der hohen Erwartungen eine gute Leistung zu erbringen. Dabei stützt man sich auf eine Reihe kognitiver Fähigkeiten: Man erinnert sich, löst Probleme und Unterdrückt inadäquate Antworten. Psychosozialer Stress spielt hierbei eine große Rolle. Zum jetzigen Zeitpunkt ist uns nur eine Studie bekannt, die die Effekte eines psychosozialen Stressors auf die kognitive Leistungsfähigkeit bei Kindern untersucht (Quesada, Wiemers, Schoofs, & Wolf, 2012). In dieser Studie kam man zu dem Ergebnis, dass sich akuter Stress negativ auf die Leistung in einer nachfolgenden kognitiven Aufgabe auswirkt.

Bisher zeigten verschiedene Studien, dass eine erhöhte Fitness, gemessen anhand der VO2max, mit besseren kognitiven Leistungen im Zusammenhang steht (z.B. Hillman et al, 2005, Kamijo et al., 2015). Andererseits konnte in einer weiteren Studie gezeigt werden, dass Fitness bei Mädchen den Zusammenhang zwischen starker körperlicher Aktivität und akademischen Leistungen nicht moderiert (Kwak et al., 2009). Fitness und körperliche Aktivität korrelieren nur in geringem Maße miteinander (Fuchs, Klaperski, Gerber & Selig, 2015). Es stellt sich daher die Frage, welches der beiden Maße den positiven Effekt von Aktivität auf Kognition erklären kann. Deswegen werden wir uns auf Ebene der Aktivität nicht nur auf die objektive Variable Fitness beschränken (erhoben wird diese Variable durch die Ergebnisse des im Sportunterricht durchgeführten PACER-Tests), sondern zusätzlich auch die habituelle körperliche Aktivität über eine Woche mit Hilfe von Accelerometern messen. Subjektiver Daten aus einem elektronischen Tagebuch sollen ergänzend noch mehr Informationen liefern. Darüber hinaus versetzen wir die Kinder durch den Einsatz des international anerkannten TSST für Kinder in eine Situation, die einer Leistungssituation in der Schule sehr ähnlich ist. Die physiologische Stressreaktion auf diesen psychosozialen Stressor wird mithilfe der Herzfrequenz-, Blutdruck- und Kortisol-Messung erhoben. Zusätzlich werden auch die psychosozialen Ressourcen (z.B. Selbstwirksamkeit) zur Identifikation möglicher vermittelnder sozial-kognitiven Prozesse genauer bestimmt. Direkt im Anschluss an diese akute moderate Stresssituation werden die Probanden eine Operation Span Task durchführen (Turner & Engle, 1989; Unsworth, Heitz, Schrock & Engle, 2005). Diese Aufgabe wurde ausgewählt, weil sie sich einerseits aus früherer Forschung sowohl als sensitiv gegenüber Stress (Schoofs et al., 2009), als auch als sensitiv gegenüber Fitness (Drollette et al, 2016) herausgestellt hat. Andererseits spiegelt die Art der Aufgabe (Gleichzeitiges Rechnen und Erinnern von Buchstaben) eine sehr vergleichbare Form der Anforderungen an die kognitiven Leistungen von Schulkindern wieder.

Uns ist bisher keine Studie bekannt, die auf diese anwendungsbezogene Art und Weise die Zusammenhänge zwischen den drei Variablen Stress, Kognition und Aktivität bei Schulkindern untersucht. Es ist daher zu erwarten, dass mit dem geplanten Vorhaben ein substanzieller Beitrag zur Klärung der Frage nach der Existenz der Cross-Stressor-Adaptation bei Kindern geleistet werden kann. Außerdem können die Ergebnisse Hinweise darauf geben, auf welche Art und Weise Bewegung (körperliche Aktivität vs. sportliches Training) bzw. Fitness bei Kindern einen Einfluss auf die kognitiven Leistungen in Stresssituationen nehmen.

Mit der geplanten Studie sollen neue Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen den drei Variablen „körperlicher Aktivität bzw. Sport und/oder Fitness“, „Stress“ und „Kognition“ im Kindes- und Jugendalter gewonnen werden. Die bisherige Forschung beschränkt sich vorwiegend auf die Untersuchung der Zusammenhänge zweier Variablen (Stress und Aktivität, z.B. Martikainen et al., 2013; Aktivität und Kognition, z.B. Drollette et al., 2016; Kognition und Stress, z.B. Quesada, Wiemers, Schoofs, & Wolf, 2012). In der vorliegenden Untersuchung sollen nun erstmalig alle drei Variablen in die Analyse mit einbezogen werden. Die Frage, inwiefern körperlich-sportliche Aktivität die kognitive Leistungsfähigkeit bei Kindern in psychosozialen Stresssituationen beeinflusst, ist von großer Bedeutung. Trotz der hohen gesellschaftlichen Relevanz wurde diesem Thema bisher jedoch wenig (wissenschaftliche) Beachtung geschenkt. Die geplante Studie ist somit die erste, welche die Wirkung körperlich-sportlicher Aktivität und die Wirkung von Fitness auf die kognitive Leistungsfähigkeit in einer psychosozialen Stresssituation bei Kindern untersucht.

 

 

Ansprechpartnerin: Dr. Kathrin Wunsch


Stand der Studie: Datenerhebung abgeschlossen

Ausgewählte Literatur zum Thema

Drollette, E. S., Scudder, M. R., Raine, L. B., Moore, R. D., Pontifex, M. B., Erickson, K. I., & Hillman, C. H. (2016). The sexual dismorphic association of cardiorespiratory fitness to working memory in children. Developmental Science, 19(1), 90-108.

Martikainen, S., Pesonen, A.-K., Lahti, J., Heinonen, K., Feldt, K., Pyhala, R., Tammelin, T., Kajantie, E., Eriksson, J. G., Strandberg, T. E., & Raikkonen, K. (2013). Higher Levels of Physical Activity Are Associated With Lower Hypothalamic-Pituitary-Adrenocortical Axis Reaktivity to Psychosocial Stress in Children. Journal of Clinical Endocrinolohy and  Metabolism, 98(4), E619-E627.

Quesada, A. A., Wiemers, U. S., Schoofs, D., & Wolf, O. T. (2012). Psychosocial stress exposure impairs memory retrieval in children. Psychoneuroendocrinology, 37, 125-136.