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Run, Walk and Talk

 
 
 
 
 
 
 

Das Freiburger Laufprogramm

„Run, Walk & Talk“

 
 
 

Karsten Köster, Harald Seelig & Reinhard Fuchs

 
 
 
 
Universität Freiburg
Institut für Sport und Sportwissenschaft
 
 
 
 
2004
 
 
 
 
 
 
 


 
1. Einleitung
 

“... ein gesunder Geist in einem gesunden Köper” – die Vorstellung, dass Sport die Gesundheit erhalten, fördern oder wiederherstellen könne, ist in der Geschichte der Gesellschaft tief verwurzelt. Heutzutage ist es wissenschaftlich erwiesen, dass sich Sport positiv auf den körperlichen Zustand auswirkt. Die Sportmedizin bestätigt, dass körperliche Aktivität das Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden verringert bzw. sich positiv auf das Herz-Kreislauf-System auswirkt (Kleinmann, 1985; Fuchs, 2003). Eine erniedrigte Ruhepulsfrequenz, sowie die Herabsetzung des systolischen Blutdrucks sind solche positiven Adaptationsaspekte, die durch das regelmäßige Sportreiben erreicht werden. Dass sich Sporttreiben zusätzlich positiv auf den seelischen und geistigen Zustand auswirken kann, belegen die Untersuchungen von Huber (1988) sowie Erkelens und Golz (1998).

Das Freiburger Laufprogramm „Run, Walk & Talk“ wurde durch Prof. Dr. Reinhard Fuchs im Sommersemester 2003 ins Leben gerufen. Das Projekt wurde vom Institut für Sport und Sportwissenschaft sowie der Psychotherapeutischen Beratungsstelle des Studentenwerks Freiburg angeboten und seit seiner Einführung von Sportstudierenden höheren Semesters geleitet. Ziel dieses Laufprojekts ist es, Studierenden, die unter Stimmungsschwankungen leiden, ein abwechslungsreiches Laufprogramm mit vielfältigen Übungen zur Körper- und Sinneswahrnehmung anzubieten, um dadurch depressiven Verstimmungen vorzubeugen. Teilnehmer1, die als „klinisch depressiv“ einzuordnen sind, gehören nicht zu der Zielgruppe.

Das Programm besteht aus 16 Laufeinheiten, die über einen Zeitraum von zwei Monaten verteilt sind. Zweimal wöchentlich finden die Kurse statt, die jeweils ein eigenes Stunden- bzw. Schwerpunktthema besitzen. Die Grundlage für „Run, Walk & Talk“ stellt das Berliner Sporttherapieprogramm dar, das in den Jahren 1987-1992 unter der Leitung von Marietta Erkelens und Norbert Golz (1998) durchgeführt wurde. In Anlehnung an das Berliner Sporttherapieprogramm beginnt „Run, Walk & Talk“ jede Einheit mit einem kurzen Spiel, das sowohl der Erwärmung als auch der Vorbereitung auf die jeweilige Einheit dienen soll. Im Mittelpunkt der Stunde steht der Laufteil, der durch den sogenannten „Lichten Moment“ kurzzeitig unterbrochen wird. Der Lichte Moment ist eine Erholungsphase in, der entweder spielerische Übungsformen oder Übungen zur Körper- und Sinneswahrnehmung durchgeführt werden. Nach dem Laufen erfolgt ein ausgiebiges und vielseitiges Stretchingprogramm zur Unterstützung der physiologischen Regeneration. In einem anschließenden Gruppengespräch werden die Erlebnisse der Stunde reflektiert und verarbeitet. Ein abschließender Entspannungsteil, z.B. mit Übungen der progressiven Muskelrelaxation nach Jacobson, beendet jede Einheit. Die wissenschaftliche Begleitung erfolgt anhand eines ausführlichen Fragebogens, der zu Beginn und am Ende des Gesamtprogramms von den Teilnehmern ausgefüllt wird. Ebenso wird zu jeder einzelnen Einheit jeweils vor und nach dem Laufteil ein sogenanntes „Stimmungsbarometer“ (PANAS; Positive And Negative Affect Schedule) ermittelt.

Durch das Freiburger Laufprogramm „Run, Walk & Talk“ konnten während der Dauer von drei Semestern die Daten von 30 Probanden erhoben werden. Allerdings erlaubte der organisatorische Rahmen keine Kontrollgruppe. „Run, Walk & Talk“ sollte also als ein Pilot-Projekt angesehen werden, dessen Daten und Erfahrungen als Grundlage einer breit angelegten Studie dienen können.

 
2. Die Struktur des Programms
 

Das Freiburger Laufprogramm „Run, Walk & Talk“ besteht aus 16 Einheiten, die jeweils ein eigenes Stundenthema besitzen. Vor dem eigentlichen Programmstart findet ein Vortreffen statt, bei dem die Teilnehmer nähere Informationen über den Verlauf des Programms sowie Informationen zu passendem Schuhwerk und Kleidung erhalten. Neben einer Führung durch das Institut, die Umkleideräume und diverse Spielfeldanlagen dient dieses Vortreffen auch dem gegenseitigen Kennenlernen der Teilnehmer und Kursleiter.

Wissenschaftlich begleitet wurde das Programm mit einem ausführlichen Fragebogen, der jeweils zu Beginn und am Ende des Programms von den Teilnehmern ausgefüllt wurde. Zusätzlich zu diesem „großen Fragebogen“ wird die aktuelle Befindlichkeit der Teilnehmer durch das sogenannte „Stimmungsbarometer“ jeweils zu Beginn und am Ende jeder Einheit ermittelt.

Der zeitliche Rahmen jeder Einheit lag in den ersten Semestern der Durchführung bei ca. 90 Minuten und wurde später auf ca. 100-120 Minuten verlängert. Im Laufe der Zeit hatte sich gezeigt, dass ein gewisser „Zeitpuffer“ dringend notwendig ist. Erstens verlängern sich die Laufzeiten am Ende des Programms (beispielsweise werden in der letzten Einheit zwei Laufintervalle von jeweils 30 Minuten durchgeführt); zweitens gewährleisten die veranschlagten 120 Minuten genügend Freiraum für einzelne Einheiten, in denen für das Programm entscheidende Übungsformen durchgeführt werden. Solche wichtigen Einheiten werden in den einzelnen Manualen als sogenannte „Schwerpunktstunden“ bezeichnet.

Die Abfolge ist in allen Einheiten gleich: Eine Einstimmungsphase von ca. 10-15 Minuten bildet den Beginn. Hier werden die Teilnehmer begrüßt und organisatorische Dinge werden erledigt (wie z.B. das Ausfüllen der „Stimmungsbarometer“ oder auch das Verteilen von Trainingsgeräten). Diese Begrüßung und das Ausfüllen der Stimmungsbarometer finden in einem Raum des Sportinstituts statt, der speziell für das Programm „Run, Walk & Talk“ reserviert und freigehalten wird. Dort können die Teilnehmer ihre Taschen und Wertsachen ablegen und haben für das Ausfüllen des Stimmungsbarometers die nötige Ruhe, fernab des großen Trubels, der jeden Abend durch die zahlreichen Sportkurse des Allgemeinen Hochschulsports der Universität Freiburg verursacht wird. Nach der Begrüßung und dem Stimmungsbarometer wird auf dem Gelände des Sportinstituts ein kurzes „Warming-up“ in Form eines Spiels durchgeführt. Nach dem Aufwärmspiel folgt der eigentliche Hauptteil, in dem sich über ca. 60–70 Minuten Lauf- und Geheinheiten abwechseln. Die Laufeinheiten werden sukzessive gesteigert und sollen die untrainierten Teilnehmer an die Ausdauerleistung des sportlichen Laufens heranführen. Gegen Ende des Programms ist es geplant, Laufzeiten von etwa einer halben Stunde zu erreichen. Diese „magische Grenze“ von 30 Minuten Laufen am Stück ist zwar ein anvisiertes Ziel, wird jedoch in der Praxis nur als untergeordneter Nebeneffekt angesehen – sollten die Teilnehmer sich für das Erreichen dieser 30 Minuten zu sehr verausgaben, wird das Laufen abgebrochen oder die Geschwindigkeit deutlich reduziert. Die folgenden Geh- und Laufzeiten stellen also lediglich einen Richtwert dar; sie sind keine primären Ziele, die unbedingt erreicht werden müssen!

 
 

Tabelle 1: Die Geh- und Laufzeiten (in Minuten)

 
Einheiten
Gehzeiten (in min.)
Laufzeiten (in min.)
1. Einheit
1
1

2. Einheit

1
1

3. Einheit

1
2,5

4. Einheit

1
2,5

5. Einheit

1
5

6. Einheit

2
7,5

7. Einheit

2
7,5

8. Einheit

2
10

9. Einheit

2,5
12,5

10. Einheit

2,5
12,5

11. Einheit

3
15

12. Einheit

3
17,5

13. Einheit

3
20

14. Einheit

3
20

15. Einheit

3
30
 
 

Der Haupt- bzw. Laufteil des Programms wird etwa auf der Hälfte der Strecke von dem sogenannten „Lichten Moment“ unterbrochen. Bei diesem handelt es sich um eine aktive Pause, die im wahrsten Sinne des Wortes auf einer Lichtung im Wald stattfand. Diese Ruhephase sollte einen besinnlichen und „in sich gekehrten Moment“ ermöglichen. Die Lichten Momente des Freiburger Laufprogramms „Run, Walk & Talk“ finden zwar nicht immer auf Waldlichtungen, jedoch nach Möglichkeit immer an sehr schönen Aussichtsplätzen oder an „stillen“ Orten der jeweiligen Strecke statt. Hier werden „ruhige“ Übungs- und Spielformen durchgeführt, die eine Erholungsphase für Körper und Geist darstellen. Nach dem Laufteil folgt eine ca. fünf minütige Stretchingeinheit, um eine optimale physiologische Regeneration zu ermöglichen. Das Stretching wird in einem Kreis ausgeführt, in dem einer der Kursleiter die einzelnen Übungen demonstriert und zusätzlich verbal erklärt. Der zweite Kursleiter geht währenddessen zwischen den Teilnehmern umher und korrigiert gegebenenfalls taktil die einzelnen Übungen. Ausgewählt wurden hierfür leicht durchführbare Übungen, die das Dehnen im Stehen, im Liegen und mit Hilfe eines Gegenstandes ermöglichen. Die Stretchingübungen sind auf drei Blöcke verteilt, welche jeweils viermal wiederholt werden. Dadurch ist gewährleistet, dass sich die Teilnehmer die Übungen einprägen und merken können. In den letzten vier Einheiten sollen die Teilnehmer nämlich die einzelnen Übungen selbstständig ausführen, während die Kursleiter gegebenenfalls noch kleinere Korrekturen und Hilfestellungen geben. Zurück im Institut findet abschließend der Entspannungsteil statt. Im Verlauf der letzten Zeit hat sich hierfür der Kanon an Relaxations- und Entspannungsübungen immer weiter reduziert. Während bei den ersten Kursdurchführungen noch viele verschiedene Formen wie Phantasiereisen, Massagetechniken und Autogenes Training zur Anwendung kamen, begnügt sich „Run, Walk & Talk“ zurzeit mit nur noch einer Form, nämlich der Progressiven Muskelrelaxation nach Jacobson. Diese Technik ist verhältnismäßig einfach und in Anbetracht der relativ knappen Zeit gut zu erlernen. Ein Gespräch von etwa 10 Minuten beendet schließlich jede Einheit. In diesem Gespräch werden die Themen der Einheit mit der Gruppe erarbeitet und evaluiert.

Das Laufprogramm „Run, Walk & Talk“ fand in dem Zeitraum Sommersemester 2003 bis Sommersemester 2004 dreimal mit jeweils zwei Kursen statt. Die folgenden Punkte stellen die Anmerkungen, Ergänzungen und revidierten Elemente des Programms dar, die während der Projekt- und Überarbeitungsphase im Sommersemester 2004 entstanden2.

 
3. Die Zielsetzung des Programms
 

„Run, Walk & Talk“ stellt ein Laufprogramm mit einem vornehmlich präventiven Charakter dar. Die ausgewählten Übungen und Spielformen, deren Inhalte in den jeweiligen Abschlussgesprächen herausgearbeitet werden, sollen die unlogischen Denkmuster der depressiv verstimmten Teilnehmer entsprechend verändern. Primäres Ziel ist es, die Teilnehmer erkennen zu lassen, dass sie durch das Laufen eine Stimmungsverbesserung erreichen können. Insbesondere die Endphase des Programms dient einer „Verstetigung des Interventionserfolgs“ und soll zum selbstständigen Laufen nach Programmende überleiten.

 
4. Das Lauftempo
 

Das Lauftempo muss über den gesamten Zeitraum des Programms sehr langsam gehalten werden. Das Ziel ist es, den Teilnehmern ein Gespür für das „Wohlfühltempo“ zu vermitteln. D.h. die Teilnehmer sollen am Ende der Laufeinheit das Gefühl haben „immer noch weiter laufen zu können“. Menschen mit depressiven Verstimmungen neigen zu überhöhten Ansprüchen und setzen sich sehr hohe Ziele, deren Verwirklichung meist irreal ist (Hautzinger, 2003). Ein Verfehlen ihrer (sehr hohen) Ziele interpretieren sie als persönliches Versagen.

Es liegt auf der Hand, dass jeder Teilnehmer eines Laufprogramms einen gewissen Ehrgeiz zum Durchhalten besitzt und sich zum Ziel setzt, mit der Gruppe mitzuhalten. Jedoch fällt es den Depressiven sehr schwer, sich selbst zu beobachten und objektiv zu beurteilen. Hier sei das Beispiel einer Teilnehmerin genannt, die nach zweimaligem Fehlen aufgrund eines grippalen Infekts Probleme hatte mit der Gruppe „Schritt zu halten“. Als die Gruppe daraufhin etwas langsamer wurde, reagierte sie sehr zornig – die Erklärungsversuche des Kursleiters und der Gruppe, dass es normal sei, nach einer Grippe nicht in „Bestform“ zu sein, wollte sie weder hören noch akzeptieren. Anhand dieses Beispiels lässt sich deutlich erkennen, wie sehr sich Depressive (über-) fordern und letztlich eigene Erfolgserlebnisse erschweren bzw. unmöglich machen. Ergänzend hierzu bestätigen Erkelens und Golz (1998):

 

„Wenn ein Teilnehmer sein Ziel (seine Ziele) erreichen konnte, wird sich seine Stimmung positiv verändern. Erlebt der Teilnehmer hingegen einen Misserfolg, wird sich dieser negativ auf seine Stimmung auswirken. [...] Ein Erfolg drückt sich ferner durch die Wahrnehmung einer guten körperlichen Leistungsfähigkeit aus. Wenn man während der Sporttherapiestunde das Gefühl hat, dass man die vorgegebenen Laufzeiten [...] problemlos durchhalten kann und wenn auch das Lauftempo nicht zu hoch ist, sondern genau richtig ist, erlebt man sich als erfolgreich. Auch in diesem Fall wird eine Verbesserung der Stimmung erwartet“ (S. 160).

 

Aus den oben genannten Gründen wird die ehemalige Einheit 12 „Leistungsgrenze / Belastungsgrenze“, bestehend aus mehreren Intervallläufen, die gestaffelt mit 50 – 90% der maximalen Leistung gelaufen werden sollten, nicht mehr durchgeführt, sondern durch die Einheit 12 „Laufen mit Pulsuhren (2)“ ersetzt. Es ist fraglich, ob selbst leistungsorientierte Sportstudenten solche Intervallläufe richtig einschätzen und mit exakt 60, 70 oder 80% der maximalen Leistung laufen können. Anhand der vorliegenden Kursleiterprotokolle lässt sich die Überforderung der Teilnehmer bei dieser Einheit deutlich erkennen. Auch Erkelens und Golz (1998) raten hierzu: „Jede Überforderung muss vermieden werden, da jeder Misserfolg zu einem Rückschlag führen kann...“ (Erkelens & Golz 1998, S. 37).

Die Wahl der angemessenen Laufgeschwindigkeit setzt eine homogene Einteilung der Laufgruppen in Bezug auf die körperliche Fitness voraus (Vorschläge für eine geeignete Gruppeneinteilung werden in den Schlussbemerkungen dieser Arbeit erläutert).

 
5.  Die sukzessive Steigerung der Laufzeiten
 

Der Einstieg ins Laufen muss auf eine sehr bedachte und behutsame Art und Weise erfolgen. Zu Beginn (Einheiten 1 und 2) bestehen die Intervalle aus dem Wechsel von je einer Minute Laufen und einer Minute Gehen. Im Verlauf des Programms werden die Laufzeiten sukzessive gesteigert. Die Lauf- und Gehintervalle dieses Programms sollen jedoch lediglich als Richtwert gesehen werden. Ein starres Einhalten der Zeitvorgaben ist nicht sinnvoll, wenn dadurch die Teilnehmer stark unter Druck gesetzt und überfordert werden. Huber (1988) hält hierzu fest:

 

„Der Einstieg sollte besonders behutsam sein, es hat sich bewährt, mit einem Spaziergang zu beginnen, in dem immer länger werdende Laufphasen integriert werden. Es sollte nicht versucht werden, den Patienten zum Laufen zu überreden, schon gar nicht mit dem Hinweis auf einen für ihn wichtigen Therapieerfolg (Erfolgsdruck). Es besteht dabei die Gefahr eines Misserfolgs“ (S. 100).

 
6. Die Einheiten und ihre Themen
 

Das Thema der Stunde sollte den Teilnehmern nicht zu Beginn der Einheit genannt werden. Durch einleitende Sätze der Kursleiter wie z.B. „Heute haben wir das Thema Selbstüberwindung. Wir werden euch heute beim Laufen etwas stärker belasten... lasst euch mal überraschen!“ können unnötige Ängste bei den Teilnehmer hervorgerufen werden. Zweckmäßiger ist ein sensibles und aufmerksames Verhalten der Kursleiter. Diese sollen die Aussagen der Teilnehmer während der Stunde aufnehmen und anschließend im Gespräch entsprechend reflektieren. Der Idealfall tritt ein, wenn die Teilnehmer das jeweilige Stundenthema und die entsprechenden Schlagworte der Stunde von sich aus nennen; z.B. ist nach der Einheit „Vertrauen“ folgende Aussage eines Teilnehmer sehr wahrscheinlich: „Es war für mich ein merkwürdiges Gefühl blind zu sein, und meinem Partner zu vertrauen“ oder: „Es fiel mir schwer, meinen blinden Partner durch den Wald zu führen und Verantwortung für ihn zu übernehmen“. Die von den Teilnehmern genannten Schlagworte Vertrauen und Verantwortung bilden nun die ideale Basis für den Kursleiter ein Gespräch aufzubauen. Das Ziel ist es, am Ende jeder Stunde möglichst deutlich den Bezug zum jeweiligen Thema herzustellen.

 
7. Die modulare Version des Laufprogramms
 

Zu Beginn des Projekts wurde jede einzelne Laufeinheit auf eine bestimmte Laufstrecke zugeschnitten. Diese Fixierung von Einheit und Laufstrecke schränkt das Programm jedoch sehr ein, da auch bei ungünstigen Wetterbedingungen die vorgegebenen Strecken, beispielsweise schmale und unbefestigte Waldwege, gelaufen werden müssen. Es liegt auf der Hand, dass das Laufen bei Regen auf steilen, engen Waldwegen, die mit hinderlichem Wurzelwerk versehen sind, für ungeübte Läufer eine Überforderung und ein Verletzungsrisiko bedeuten kann. Allzu oft ist in den Stundenprotokollen zu lesen, dass die Teilnehmer nach dem Laufen auf Waldwegen im starken Regen „völlig ausgepowert sind“ und dass „es ihnen keinen Spaß gemacht hat“. Es ist daher sinnvoll, die aktuellen Wetterbedingungen für die Wahl der Laufstrecke zu berücksichtigen. Aus diesem Grunde werden die Laufstrecken in der vorliegenden Arbeit in modularer Form angelegt. Dies soll eine unabhängige und flexible Streckenauswahl ermöglichen. Zusätzliche Informationen zu den Laufstrecken, wie Beleuchtung, Länge und Untergrund sollen die Auswahl erleichtern. Zusätzlich zur modularen Laufstreckenauswahl ist wichtig, die Durchführung der Einheiten, wie sie durch das Manual vorgeschrieben ist, als flexibler anzusehen. Bestimmte Einheiten wie beispielsweise die Einheit 6 („Sinneswahrnehmung“) oder Einheit 9 („Vertrauen“) sind als sogenannte Schwerpunktstunden anzusehen, deren Inhalte von großer Bedeutung sind. Sollten zu den vorgegebenen Terminen solcher Schwerpunktstunden weniger als Dreiviertel der Teilnehmer anwesend sein, oder die Witterungsbedingungen die Stunde erschweren, so ist von der regulären Durchführung dieser Stunden abzuraten, um sie auf den nächstmöglichen Termin verschieben zu können. Ersatzweise sind in einem solchen Fall sogenannte Füllstunden (Einheiten 2, 4 und 11) auszuführen, in denen „nur“ gelaufen wird. Hierbei können Wiederholungen der Konzentrationsübungen während des Laufens, oder Elemente zur Laufschulung durchgeführt werden; jedoch keine neuen Übungen, so dass Teilnehmer durch ihr Fehlen nicht den Anschluss an die Gruppe und das Programm verlieren.

 

8.   Spiele und Übungen während des Lichten Moments

 

Grundsätzlich ist es ratsam, alle Spiele und (Dehnungs-) Übungen möglichst fern von ungebetenen Zuschauern und „potentiellen Störfaktoren“ durchzuführen. Die Erfahrung hat leider gezeigt, dass die Laufgruppen schon von ungebetenen „Zaungästen“ mit Bällen beschossen wurden oder einzelne Passanten die Übungen mit abfälligen Bemerkungen kommentiert haben. Darüber hinaus sollten die Spiele nicht zu infantil und lächerlich wirken. Viele Übungsformen verlangen ein sehr hohes Einfühlungsvermögen der Kursleiter, damit die einzelnen Elemente auch glaubwürdig und konstruktiv vermittelt werden können.

Im Verlauf des Programms hatte sich weiterhin gezeigt, dass eine Vielzahl an Spielen, die von Sportstudenten geplant wurden, zu anspruchvoll für die Teilnehmer war. Als Beispiele sind hier „Ultimate Frisbee“ und komplexerer Ballspiele zu nennen, die ein hohes Maß an konditionellen und koordinativen Fähigkeiten voraussetzen. Das Hauptziel der Spiele zu Beginn einer Stunde besteht darin, in möglichst kurzer Zeit eine körperliche Aktivierung und eine Einstimmung auf das Stundenthema zu erreichen. Zu Beginn des Programms sollte das Kennenlernen im Vordergrund stehen. Auf eine geeignete Reihenfolge der Spiele wird im Manual der Aufwärmspiele nochmals hingewiesen.

 

9. Die Größe und Gestaltung der Laufgruppen

 

Die optimale Gruppenstärke für einen Kurs sollte bei mindestens sechs und maximal zehn Teilnehmern liegen. In diesem Verhältnis ist eine Gruppe noch überschaubar und ermöglicht es auch beim Fehlen von ein oder zwei Teilnehmern geplante Spiele und Übungen durchzuführen.

 
10. Ausblick
 

Bei einer zukünftigen Durchführung des Programms ist es wünschenswert, die Schwerpunktstunden bzw. die Einheiten „Vertrauen“, „Sinneswahrnehmung“, „Selbstüberwindung“ und „Gefühlsausdruck“ um jeweils zwei Termine zu erweitern. Dadurch können die Themen deutlicher herausgearbeitet und besser auf die anschließenden Gespräche übertragen werden. Ebenso ist es für die letzten Einheiten (insbesondere die Einheiten „Eigenverantwortung“ und „Transfer in den Alltag“) sinnvoll, mehr Raum und Zeit einzuplanen. Für die zukünftige Planung sollte also nicht mehr von 15, sondern von 21 Laufeinheiten ausgegangen werden, ohne jedoch zusätzliche bzw. neue Themen einzuführen. Der Übergang zum Alltag bzw. die „Verstetigung des Interventionserfolgs“ könnte durch das Verteilen von Trainingsplänen, Laufrouten sowie Material über Stretching und Entspannungsformen an die Teilnehmer effektiver gestaltet werden. Ebenso sollten die Kursleiter in den letzten Gesprächen verstärkt Informationen über regionale Laufgruppen bzw. die Bildung einer solchen vermitteln. In der letzten Phase des Programms ist auch die gemeinsame Teilnahme der Laufgruppe an einem Volkslauf ohne Leistungsanforderungen denkbar. Zum Beispiel wurde im Sommersemester 2004 am KKH–Lauf3, mit dem erfolgreichen Läufer Dieter Baumann als Aushängeschild, teilgenommen. Bei diesem Lauf wurde keine Zeitmessung durchgeführt, sondern die Freude am Laufen stand im Vordergrund. Sofern die Leistungsansprüche entsprechend herabgesetzt werden, wirkt sich ein Volkslauf durchaus motivierend auf ein eigenständiges Laufen über das Programm hinaus aus.

Was den organisatorischen Rahmen des Programms betrifft, so wäre es denkbar, das Programm auf breitere Bevölkerungsgruppen auszudehnen. Die zukünftigen Teilnehmer für „Run, Walk & Talk“ könnten in Vereinen, Volkshochschulen, Arztpraxen und klinischen Einrichtungen zu finden sein. Bei der Fortführung des Programms ist es sinnvoll, die Anmeldung mit einem Vorgespräch zu koppeln. In solch einem Einzelgespräch kann direkt auf die individuelle Symptomatik des potentiellen Teilnehmers eingegangen werden und es ist möglich die Motivationsgründe und Erwartungen zu erfahren. Gegebenfalls können irreführende Erwartungen der Teilnehmer bereits an dieser Stelle eingeschränkt werden. Darüber hinaus sind solche Vorgespräche hilfreich für die Einschätzung des individuellen Fitnesszustandes der Teilnehmer und die Gruppen ließen sich homogener einteilen. Es können also Kriterien wie „sport­­lich-unsportlich“ sowie „schweigsam-redegewandt“ in die Gruppeneinteilung mit einfließen.

 

11. Literatur

Albrecht, K.(1999). Stretching: Das Expertenhandbuch; Grundlagen für Trainer und Sportler. Heidelberg: Karl F. Haug.  

Beck, A. T. & Hautzinger, M. (Hrsg.), (1994). Kognitive Therapie der Depression. Weinheim: Psychologie-Verlags-Union.

Davison, G., Neale, J. & Hautzinger, M. (Hrsg.), (2002). Klinische Psychologie. Ein Lehrbuch. München: Psychologie Verlags Union.

Erkelens, M. & Golz, N. (1998). Effekte des Sporttreibens bei Depressionen. Berlin: Dr. Köster.

Fuchs, R. (2003). Sport, Gesundheit und Public Health. Göttingen: Hogrefe.

Hainbuch, F. (2004). Muskelentspannung nach Jacobson. München: GU

Hautzinger, M. (2003). Kognitive Verhaltenstherapie bei Depressionen. (6. neu überarbeitete Auflage) Berlin: Beltz PVU.

Hautzinger, M. (1998). Depression. Göttingen: Hogrefe.

Hautzinger, M., Kleine, Bailer, M., Worall, F. (1995). Beck-Depressions-Inventar (BDI). Göttingen: Huber.

Hautzinger, M., Greif, S. (1992). Kognitionspsychologie der Depression. Stuttgart: Kohlhammer.

Hautzinger, M. (1990). Lernen bei psychischer Beeinträchtigung und Depression. In W. Kleine & M. Hautzinger, Sport und psychisches Wohlbefinden (S. 26 – 32). Aachen: Meyer & Meyer.

Hautzinger M. / Hoffmann Nikolaus (1979). Depression und Umwelt. Salzburg: Otto Müller.

Huber, G. (1988). Sport und Depression. Entwicklung und Überprüfung eines sportpädagogisch-therapeutischen Modells. Dissertation. Heidelberg.

Jacobson, E. (1996). Entspannung als Therapie: progressive Relaxation in Theorie und Praxis. (3. Aufl.) München: Pfeiffer.

Kaluza, G. (1996). Gelassen und sicher im Stress: psychologisches Programm zur Gesundheitsförderung. Berlin: Springer.

Kleine, W. (1990). Problemfelder des Gesundheitssports – Eine Einführung in die Thematik unter besonderer Berücksichtigung psychischer Prozesse. In W. Kleine & M. Hautzinger, Sport und psychisches Wohlbefinden (S. 7-25). Aachen: Meyer & Meyer.

Kleinmann, D. (1985). Sport als Medizin für Jedermann. Stuttgart: Meyer & Meyer.

Krampen, G. (1991). Fragebogen zu Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen (FKK) – Handanweisungen. Göttingen: Hogrefe.

Krohne, H.W., Egloff, B., Kohlmann, C.W. & Tausch, A. (1996). Der „Positive and NegativeAffect Schedule”. Diagnostica, 42, 139-156.

Lewinsohn, P.M. (1978). Control Your Depression. London: Prentice-Hall

Seligman, M.E.P (1979). Erlernte Hilflosigkeit. München: Urban & Schwarzenberg.

 

 

 

 


1Zur Verbesserung der Lesbarkeit werden in der vorliegenden Arbeit Personenbezeichnungen in der männlichen Form verwendet; gemeint sind dabei in allen Fällen Frauen und Männer.

2Die folgenden Punkte (sofern nicht entsprechend vermerkt) beruhen auf Skizzen von Dr. Golz und den eigenen Anregungen des Autors dieser Arbeit. Die Skizzen von N. Golz, die für das Projekt „Run, Walk & Talk“ während des Sommersemesters 2004 an der Albert-Ludwigs-Universität angefertigt wurden, beziehen sich im wesentlichen auf Erkelens & Golz (1998).

3Der KKH–Lauf wurde von der Kaufmännischen Krankenkasse Hamburg als sogenannte „Herz-Kreis-Lauf“ Initiative am 23.05.2004 in Freiburg durchgeführt.