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Das Selbstkonkordanz-Modell

von Harald Seelig

 

Das von Sheldon und Elliot (1999) eingeführte Selbstkonkordanz-Modell beschreibt Zusammenhänge zwischen der Auswahl, der Verfolgung und dem Erreichen von Zielen. Selbstkonkordanz wird definiert als das Ausmaß, in dem Ziele den authentischen Interessen und Werten einer Person entsprechen. Hintergrund der im Selbstkonkordanz-Modell beschriebenen Zusammenhänge ist die Beobachtung, dass Personen auch Ziele wählen und verfolgen, die nicht unbedingt den eigenen Interessen entsprechen. Je mehr ein Ziel die persönlichen Interessen, Wünsche und Bedürfnisse widerspiegelt, desto selbstkonkordanter ist dieses Ziel. Diese „Qualität“ eines Ziels beeinflusst zum einen direkt Prozesse bei der Zielverfolgung und Zielerreichung. Zum zweiten sind Effekte der Selbstkonkordanz zu erwarten, die sich auf die psychologischen Konsequenzen (z. B. Wohlbefinden) der Zielerreichung beziehen. In ihrem Modell (Abbildung 1) verbinden Sheldon und Elliot (1999) diese zwei unterscheidbaren Prozesse miteinander.


 

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Abbildung1: Selbstkonkordanz-Modell nach Sheldon und Elliot (1999).

 

Der erste Prozess ("the inception-to-attainment-process") beschreibt den Einfluss der Selbstkonkordanz auf die Zielerreichung. Demnach löst ein Ziel mit hoher Selbstkonkordanz eine nachhaltigere Anstrengung(-sbereitschaft) bei der Zielverfolgung aus als ein Ziel mit geringer Selbstkonkordanz. Infolgedessen erhöht sich bei Zielen mit einer hohen Selbstkonkordanz die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung. Die Verbindung zwischen Zielerreichung und Wohlbefinden erklärt sich in diesem Modell durch den zweiten Teilprozess ("the attainment-to-well-being process"). Die Zielerreichung führt vor allem dann zu bedürfnisbefriedigenden Erfahrungen und dadurch zu höherem Wohlbefinden, wenn ein Ziel mit hoher Selbstkonkordanz erreicht wird (Interaktionsterm in Abbildung 1). Dies wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine zukünftige Zielerreichung.

Die im Selbstkonkordanz-Modell beschriebenen Prozesse und Zusammenhänge konnten auf der Grundlage mehrerer Studien überprüft und bestätigt werden (Sheldon & Kasser, 1998; Sheldon & Elliot, 1998; Sheldon & Elliot, 1999; Sheldon & Houser-Marko, 2001; Koestner et al., 2002, Seelig & Fuchs, 2006).

Hintergrundstheorie: Die Self Determination Theory

Die Konzeptualisierung und Operationalisierung des Selbstkonkordanz-Modells basieren in wesentlichen Zügen auf der Selbstdeterminations-Theorie (Deci & Ryan, 1991; Ryan & Deci, 2002). Verkürzt dargestellt kann diese Theorie als eine Theorie der Handlungs-Regulation verstanden werden. Nach Ryan und Deci (2002) werden (intentionale) Handlungen entweder aus freien Stücken oder aufgrund von inneren oder äußeren Zwängen durchgeführt. Je nach dem ob der „Ort der Handlungsverursachung“ (perceived locus of causality, deCharms, 1968) innerhalb oder außerhalb der handelnden Person liegt, wird die auszuführende Handlung entweder als selbst- oder als fremdreguliert empfunden.

Während bei der Selbst-Determinationstheorie die Handlungsregulation im Mittelpunkt steht, gehen Sheldon und Elliot (1999) einen Schritt weiter: Der Einfluss der empfundenen Selbst- oder Fremdregulation ist bereits auf der Ebene der Zielauswahl beobachtbar, ohne dass eine entsprechende (Ziel-)Handlung bereits initiiert oder durchgeführt sein muss. Auf diese Weise reicht bereits die (bloße) Formulierung einer entsprechenden Zielintention aus, um die Selbstkonkordanz eines Ziels beschreiben, einschätzen und messen zu können. Nach Gollwitzer (1999) sind Zielintentionen relativ allgemein gehaltene Absichtsbekundungen, die auf dem Abwägen zwischen und Auswählen von gleichzeitig existierenden Wünschen und Bedürfnissen beruhen.

Operationalisierung

Intrinsische Motivation liegt vor, wenn eine Person ein Ziel um seiner selbst Willen auswählt und verfolgt („Ich beabsichtige Sport zu treiben, weil ich davon begeistert bin.“). Verfolgt eine Person ein Ziel aufgrund der Überzeugung, dass es mit eigenen übergeordneten Wertevorstellungen übereinstimmt, spricht man von

identifizierter Motivation („Ich beabsichtige Sport zu treiben, weil es gut für mich ist.“). Weil bei beiden Motivationsmodi die getroffene Zielauswahl auf eigenen Interessen oder Werten fußt, wird die Begründung der Zielverfolgung als internal gesteuert – d. h. im Selbst verankert – empfunden.

Introjizierte Motivation liegt vor, wenn die Zielauswahl und Zielverfolgung auf Wertvorstellungen basiert, die zwar als sinnvoll akzeptiert werden, die aber nicht den eigenen Werten entsprechen. Die Übernahme fremder Wertvorstellungen führt dazu, dass sich eine Person zur Zielverfolgung verpflichtet fühlt und dass eine potenzielle Nicht-Erfüllung solcher Ziele mit Angst oder Schuldgefühlen einhergeht („Ich beabsichtige Sport zu treiben, weil ich mir sonst Vorwürfe machen müsste.“).

Im extrinsischen Motivationsmodus kommt es lediglich aufgrund äußerer Anreize oder Zwänge zur Auswahl eines Ziels („Ich beabsichtige Sport zu treiben, weil Personen, die mir wichtig sind, mich dazu drängen.“).

Für eine generelle Einschätzung der Selbstkonkordanz schlagen Sheldon und Elliot (1999) vor, einen solchen Index zu bilden, indem die Summe der extrinsischen und der introjizierten Motivation von der Summe der intrinsischen und identifizierten Motivation abgezogen wird. Der Gesamtindex repräsentiert somit eine vereinfachte Abschätzung eines ursprünglich viergliedrigen Motivationsmusters. Diese Vereinfachung ist lediglich dann von Vorteil, wenn es darum geht, Zusammenhänge zwischen Selbstkonkordanz und weiteren Variablen globaler zu betrachten. Für eine detailliertere Einschätzung der Selbstkonkordanz ist deshalb ratsam, die Ausprägungen der einzelnen Motivationsmodi zu vergleichen.

 

Literatur