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Selbstkonkordanz und körperlich-sportliche Aktivität

von Harald Seelig

 

Konzeptionelle Einbindung der Selbstkonkordanz im Bereich der Inintiierung und Aufrechterhaltung körperlicher Aktivität

 

Die Identifizierung psychologischer Determinanten ist ein wichtiger Baustein bei der Klärung der Frage wie Prozesse der Initiierung und Aufrechterhaltung von körperlich-sportlicher Aktivität funktionieren und wie diese Prozesse durch Interventionen unterstützt werden können. Im Motivations-Volitions-Prozessmodell (MoVo-Modell) wird postuliert, dass im Prozess der Aneignung und Aufrechterhaltung einer (regelmäßigen) körperlich-sportlichen Aktivität die folgenden Faktoren und Prozesse eine wichtige Rolle spielen: die perzipierte Verhaltenskontrolle (Selbstwirksamkeitserwartung), die Konsequenzerwartungen (wahrgenommene Vor- und Nachteile des eigenen Sport- und Bewegungsverhaltens), die Absichtsstärke (Stärke der sport- und bewegungsbezogenen Zielintention), die Selbstkonkordanz der sport- und bewegungsbezogenen Zielintention, die zugehörigen Implementierungsintentionen, die Prozesse der volitionalen Intentionsabschirmung und schließlich die Konsequenzerfahrungen (Zufriedenheit mit den Handlungskonsequenzen).

 

Im MoVo-Modell wird die Selbstkonkordanz als ein Merkmal (als eine Eigenschaft) der Zielintention konzipiert. Betrachten wir uns zunächst diese Zielintention genauer. Nach Gollwitzer (1999) handelt es sich bei Zielintentionen um relativ allgemein gehaltene Absichtbekundungen, etwa von der Art: „Ich habe die Absicht, wieder mit der Fitnessgymnastik zu beginnen“.Zielintentionen sind das Ergebnis motivationaler Prozesse des Abwägens und Auswählens zwischen verschiedenen, gleichzeitig existierenden Wünschen und Bedürfnissen. Im MoVo-Modell wird postuliert, dass an einer solchen Zielintention zumindest zwei Aspekte zu unterscheiden sind, nämlich ihre (Absichts-) Stärke und ihre Selbstkonkordanz. Die Stärke einer Zielintention betrifft das Ausmaß an Gewissheit, mit der man an der betreffenden Absicht festhält; sie wird gemessen z.B. mit dem Item „Wie stark ist ihre Absicht, in den nächsten Wochen und Monaten regelmäßig sportlich aktiv zu sein?“ mit der Antwortmöglichkeit von „diese Absicht habe ich gar nicht“ bis „diese Absicht ist bei mir ganz stark“. Die empirische Exercise Adherence-Forschung der letzten 15 Jahre (Bull, 2001) zeigt, dass die Stärke sport- und bewegungsbezogener Zielintentionen im Wesentlichen von zwei Faktoren abhängt: von den Konsequenzerwartungen und von der perzipierten Verhaltenskontrolle (Biddle & Nigg, 2000; Fuchs, 1997; 2003; Wagner, 2000). Der zweite Aspekt, nämlich die Selbstkonkordanz der Zielintention, ist dagegen in der Exercise Adherence-Forschung bislang kaum berücksichtigt worden. Das Konstrukt der Selbstkonkordanz (self-concordance) wurde von Sheldon und Elliot (1999) in die Literatur eingeführt und bezeichnet „the extent to which a goal reflects personal interests and values versus something one feels compelled to do by external or internal pressures“ (Koestner et al., 2002, S. 231). Selbstkonkordanz ist demnach die Eigenschaft eines persönlichen Ziels bzw. einer Zielintention, weshalb Sheldon und Elliot (1999) auch explizit von „goal self-concordance“ sprechen. Aus den Resultaten von Sheldon & Elliot, 1999, Sheldon & Houser-Marko, 2001 oder Koestner et el., 2002 kann prinzipiell geschloßen werden, dass hoch selbstkonkordante Ziele mit größerer Persistenz verfolgt werden und es deshalb seltener zum Abbruch des zielführenden Verhaltens kommt als bei niedrig selbstkonkordanten Zielen.

 

Kurze Übersicht über eigene emiprische Befunde

In verschiedenen Studien konnte von uns gezeigt werden, dass sich vergleichbare Resultate auch für den Bereich der (sportlich) körperlichen Aktivität nachweisen lassen. Hierbei kam die von uns entwickelte sport- und bewegungsbezogene Selbstkonkordanzskala zum Einsatz (Seelig & Fuchs, 2006). Diese Skala umfasst vier Subskalen, mit denen die vier Zielmotivationsmodi (intrinsisch, identifiziert, introjiziert, entrinsisch) der Zielintentention "in den nächsten Wochen und Monaten regelmäßig sportlich aktiv zu sein" erfasst werden. Des Weiteren wird auf Basis der einzelnen Subskalenwerte dann ein Gesamtindex  für die Selbstkonkordanz für die Selsbtkonkordanz errechnet.

In einer ersten, querschnittlichen Untersuchungen (Seelig & Fuchs, 2006) mit N=284 Studierenden konnte eine signifikante Korrelationen zwischen dem Selbstkonkordanzindex und dem Umfang an körperlich-sportlicher Aktivität nachgewiesen werden (r=.38). Gleichzeitig ergaben sich in dieser Studie  signifikante Zusammenhänge zwischen der Selbstkonkordanz und der Anstrengungsbereitschaft (r=.49) sowie zwischen der Anstrengungsbereitschaft und dem Aktivitätsumfang (r=.43). In weiterführenden Analysen konnte gezeigt werden, dass dieses Muster von Zusammenhängen im Sinne des Selbstkonkordanz-Modells interpretiert werden kann, wonach Anstrengungsbereitschaft als Mediator für die Wirkung der Selbstkonkordanz auf die Aktivität angesehen wird. Das zentrale Ergebnis dieser ersten Studie konnte in einer zweiten querschnittlichen Untersuchung mit N=337 Personen der Freiburger Bevölkerung erhärtet werden: Auch hier war ein signifikanter Zusammenhang zwischen körperlich sportlicher Aktivität und der Selbstkonkordanz vorzufinden (r=.27).

In zwei prospektiven Längsschnittstudien wurden ebenfalls signifkante Zusammenhänge zwischen der sport und bewegungsbezogenen Selbstkonkordanz und dem (längerfristigen) regelmäßigen Sportverhalten vorgefunden. In einem aktuell noch laufenden Forschungsprojekt im Bereich der orthopädischen Rehabilitation (vgl. Göhner, Mahler & Fuchs, 2007) konnten bei einer Längsschnittstichprobe von N=493 Patienten signifikante Korrelationen zwischen der am Ende des Klinikaufenthalts erhoben Selbstkonkordanz und dem Umfang sportlicher Aktivität zu verschiedenen Messzeitpunkten nach der Klinikentlassung nachgewiesen werden (nach sechs Wochen: r=.29, nach sechs Monaten: r=.27, nach einem Jahr: r=.29). In einer weiteren Studie wurde im Bereich des gesunheitsorientierten Freizeitsports untersucht, welche Rolle der Selbstkonkordanz bei der Vorhersage des regelmäßigen Sportverhaltens bzw. des Abbruchs (Drop-Out) dieses Verhaltens zukommt. Hierzu wurden N=172 Neumitglieder eines Fitnessstudios acht Monate lang beobachtet. Ihr regelmäßiges Sportverhalten wurde anhand ihrer wöchentlichen Anwesenheit eingeschätzt (vgl. Seelig & Fuchs, 2007). Es konnte gezeigt werden, dass Personen, bei denen es (früher oder später) zum Abbruch kam - die also nicht mehr zum Sport erschienen, zu Beginn des Beobachtungszeitraumes eine signifikant geringere Selbstkonkordanz aufwiesen, als jene, die regelmäßig und andauernd zum Sporttreiben in dieses Fitnesstudio kamen. Auf der Basis regressionsanalytischer Resultate konnte die prädiktive Stärke der Selbstkonkordanz für die Vorhersage von längerfristigem, regelmäßigem Sportverhalten bestätigt werden (beta=.25,  R2= .12).